Nachrichten

Fokus

Sport

Wirtschaft

Gesellschaft

Kultur

Jeder fünfte Schüler kann nicht richtig lesen

Betroffene landen zu Tausenden in der Arbeitslosigkeit. Bildungsexperten stellen «Systemversagen» fest

Zürich Rund 6000 Schüler aus der Schweiz nahmen am aktuellen internationalen Pisa-Test der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) teil. Der erschreckendste Befund der jüngsten Schulleistungsstudie lautet: 20  Prozent der 15-jährigen...

Oh, du Peinliche!

Warum beim Weihnachtsessen alles erlaubt sein muss

Die grosse EU- Abstimmung naht

Bern Schon Ende nächsten oder Anfang übernächsten Jahres dürfte es zur grossen Europaabstimmung kommen. Justizministerin Simonetta Sommaruga wird noch vor Weihnachten dem...

Migros verkauft bald Medikamente

Zürich Die Migros baut ihr Geschäft mit der Gesundheit aus. In etwa 50  Supermärkten ist eine Apotheke mit Vollsortiment geplant. Dazu geht die Migros eine Kooperation mit der Apotheke Zur Rose ein, die bisher vor allem im Onlinehandel und im Ärzte-Grosshandel tätig war. Das Pilotprojekt startet im Juni an der Berner Marktgasse. Es ist das erste Mal, dass die Migros einem Drittunternehmen dauerhaft Filialfläche überlässt. «Mit dem strategischen Entscheid, in den Apothekenmarkt einzusteigen, setzen wir unsere umfassende Gesundheitsinitiative fort», sagt Verwaltungsratspräsident...

Bund entlarvt 165 Schwarzbrenner

Sitten Die Ermittler der Alkoholverwaltung haben im Wallis den vermutlich grössten Fall von Steuerhinterziehung aufgedeckt: Während fünf Jahren produzierte ein Brennmeister 17 000 Flaschen Schnaps...

Fokus

Sepp Blatter

Der Ex-Fifa-Chef im Interview

Gesellschaft

Hunde

Sie sind klüger, als wir denken

Gesellschaft

Frauen

Warum sie die besseren Chefs sind

Glosse

P.S. Ich kann auch volksnah

Das schleckt keine Carmen Geiss weg: Unsere selbst ernannten Scheineliten haben versagt. Als Inhaber eines kleinen Schweizer Unterhaltungsunternehmens führe ich oft genug Unterhaltungen mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Schichten, um zu hören, wie das einfache Volk tatsächlich tickt. Und was es von «Organisationen» wie der EU oder der OECD hält. Diese will uns unter dem harmlos tönenden Titel «Unternehmenssteuer- reform III» dazu zwingen, unsere Steuerhoheit an fremde Beamte abzutreten. Und eine abgehobene Classe économique erpresst uns damit, andernfalls in andere Länder abzuwandern. Angesichts der geopolitischen Lage der Schweiz ist das geradezu absurd. Denn mit nur ein paar Landwirten oder Schwingern und Traktoren könnten wir die Steuerfluchtrouten jederzeit blockieren. Wenn wir keine fremden Steuervögte wollen, kann also unsere Antwort auf diese dreiste Drohung nur lauten: NEIN zu einer extremen und volksfeindlichen Unternehmenssteuerreform, die das Volk finanziell ausbluten will und einen Schlag ins Gesicht aller bestandenen Berufsleute bedeutet, die mit ihren Lohnzetteln keine Möglichkeit haben, Millionen und Abermillionen in sogenannten Patentboxen zu verstecken. Unser wuchtiges NEIN soll den ausländischen...

Editorial

Funktionale ­Analphabeten ohne Lobby

Was wurde schon darüber gestritten: Wann sollen unsere Kinder Französisch lernen? Früh, spät – oder doch lieber erst Englisch?

Nur zeigt sich jetzt: Der Sprachenstreit...

Teuer und ungenügend

Die Pisa-Studie offenbart eine hohe Zahl funktionaler Analphabeten unter den Schulabgängern – inakzeptabel für eins der teuersten Schulsysteme der Welt, sagen Experten

Zürich Ein reich verziertes Gästezimmer in einem Schloss. Türen rechts und links, in der Mitte das Wohnzimmer. Drei Männer im Smoking betreten die Bühne und unterhalten sich darüber, wie schwierig es sei, ein Theaterstück zu beginnen. «Teuflisch schwer», sagt der Mann, der...

«Es passiert zu oft nichts oder zu wenig»

Bildungsforscher Stefan Wolter wünscht sich Schulen, in denen nachgefragt wird, ob die Schülerinnen und Schüler lesen können – und Massnahmen ergriffen werden, wenn die Antwort darauf Nein ist

Der Pisa-Test unterscheidet im Fach Lesen sechs Kompetenzstufen. Viele Schulabgänger in...

Kooperation mit «Süddeutscher Zeitung»

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die SonntagsZeitung und der «Tages-Anzeiger» mit der «Süddeutschen Zeitung» eine umfassende Kooperation eingehen. Ab dem kommenden Jahr werden wir zusammen eines der grössten Korrespondentennetze im deutschsprachigen Raum betreiben. Das bedeutet für Sie als Abonnentinnen und Abonnenten, dass wir Sie schweizweit exklusiv noch besser als bisher mit Berichten aus aller Welt bedienen können. Die Kooperation umfasst auch weitere Bereiche mit internationalem Blickwinkel. Darunter fallen die Ressorts Wissen...

Werbung

Pisa-Studie

Wie Pisa das Lesen testet

Die internationale Schulvergleichs-studie misst die Lesefähigkeit mit verschiedenen Texten, zu denen die 15-jährigen Schüler Fragen beantworten müssen. Der Schwierigkeitsgrad der folgenden Pisa-Aufgabe entspricht der Kompetenzstufe 2 auf einer Skala bis 6.

Programm zur freiwilligen

Grippeschutzimpfung bei ACOL

Wie Sie sicherlich wissen, kann die Grippe im Winter schnell und weiträumig zuschlagen. Ihre Opfer liegen dann oft wochenlang krank im Bett.

Der beste Weg, das Virus zu bekämpfen, ist ein fitter und gesunder Körper. Tägliche Bewegung und eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse sind sehr zu empfehlen, um das Immunsystem in seinem Kampf gegen diesen Krankheitserreger zu unterstützen...

Schweiz

Politohr

Der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder berichtet, wie er nach der Wahl von Doris Leuthard zur Bundespräsidentin 2017 beim «wirklich reichhaltigen Apéro» war, den der Heimatkanton der CVP-Bundesrätin offerierte – also der Aargau, «bekanntlich ein NFA-Nehmerkanton», wie der Zuger bemerkt. Das stösst einem Vertreter des Kirschtorten-Kantons natürlich sauer auf...

Sommaruga bereitet grosse EU-Abstimmung vor

Das Volk soll schon bald die Bilateralen in der Verfassung verankern

Bern Eigentlich hatte sich der Bundesrat am nächsten Freitag ins Wochenende verabschieden wollen. Jetzt fallen...

Länger arbeiten mit Peter Wanner

Die Pensionskasse der «Aargauer Zeitung» erhöht das Rentenalter auf 66. Die Gewerkschaft ist alarmiert

Baden «Länger arbeiten? Nein, danke!» titelte die «Aargauer Zeitung» im Mai. Die Schlagzeile zur Rentenaltererhöhung liest sich wie ein vorweggenommener Appell der Journalisten an ihren Verleger. Vor wenigen Tagen flatterte der Belegschaft ein Schreiben der AZ-Pensionskasse ins Haus. Darin wird angekündigt, das ordentliche Rücktrittsalter «in vier Schritten bis 2021» für Männer und Frauen auf 66 Jahre zu...

Die Zahl der Kaiserschnitte stagniert

Spitäler fördern Hebammengeburten

In der Schweiz ist die Kaiserschnittrate wie in den meisten westlichen Ländern deutlich gestiegen: von 23 Prozent im Jahr 1998 auf heute 33 Prozent. Allerdings hat der Anteil in den letzten acht Jahren kaum noch zugenommen. Ein Bericht des Bundesamtes für Gesundheit von 2013 kommt zum Schluss, dass vor allem ein...

Streit um die richtige Geburt

Bisher durften Geburtshäuser auch Risiko-Entbindungen durchführen. Der Kanton Zürich will dafür aber nicht mehr bezahlen. Jetzt wehren sich die Hebammen

Andrea Trindler ist überglücklich. Auch heute noch, mehr als ein Jahr nach der Geburt ihrer Tochter. Diese kam natürlich und komplikationsfrei im Geburtshaus Zürcher Oberland zur Welt, «in einer absolut ruhigen und schönen Atmosphäre», wie Trindler sagt...

Ermittler lassen Clique von Walliser Schwarzbrennern auffliegen

165 Beteiligte, 17 000 schwarzgebrannte Flaschen – es ist der grösste Fall von Steuerhinterziehung

Zürich/Sitten Es ist ein kleiner, kühler Raum, in dem Gerhard B. den schweizweit wohl grössten Fall von Alkoholsteuerhinterziehung eingefädelt hat. Eine Treppe führt hinab zu einem Brennhafen mit Verstärker und Kühltower. Daneben stehen eine Holzablage, ein...

Uvek will neue ­Zuständigkeit

Nach dem Prozess gegen einen Fluglotsen wird diskutiert, ob nicht der Bund darüber richten sollte

Bülach ZH Der Lotsen-Fall vor dem Bezirksgericht Bülach, der am Mittwoch...

Terroristen sollen verwahrt werden

Der Bundesrat prüft die Präventivhaft für Jihadisten

Bern Der Bundesrat plant, die Sicherheitsverwahrung für Terroristen einzuführen. Schon nächstes Jahr will er...

Fehlgeleitete Wissenschaftler

Betrüger missbrauchen die Daten von Schweizer Fachzeitschriften – und kommen so ans Geld von Forschern

Zürich/Genf Wer auf der Website der «Cahiers des Sciences Naturelles» eine akademische Arbeit einreicht, darf mit einer weltweiten Verbreitung rechnen. Das verspricht das Portal, das auf den ersten Blick professionell daherkommt. Doch es ist gefälscht. Das Original heisst fast gleich: «Les Cahiers des Sciences Naturelles» –...

Der Banker und die Trophäenjagd

Benjamin de Rothschild soll für die Vertreibung von Pygmäen in Kamerun verantwortlich sein

Genf Sein Gesicht wirkt ruhig, doch seine Stimme bebt. Ein junger Mann erzählt, wie er verhaftet wurde. Wie er von einem Polizisten 45-mal gepeitscht wurde. Wie er 80 Dollar...

Werbung

International

Der Untergang der Rebellen

Aleppo ist verloren, und die syrische Armee rekrutiert Hunderte von Männern zwangsweise

Tanger Mohammed wollte nur kurz Brot holen, kam aber nicht mehr zurück. «Unser Sohn war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt», sagt der Vater. Die ganze Familie war zwei Tage zuvor aus dem Rebellenteil Aleppos auf die Regimeseite geflüchtet. «Auch die Behörden wissen nicht, wo er ist», sagt das Familienoberhaupt. «Sie glauben aber, dass er verhaftet wurde.»...

Schwere Explosionen erschüttern Istanbul

Im Zentrum der türkischen Metropole kam es gestern Abend zu einem Autobomben-Anschlag. Es gab mindestens 13 Tote

Istanbul  In der Nähe des Fussballstadions von Besiktas im Zentrum Istanbuls ereigneten sich gestern Abend um etwa 20.30 Uhr zwei schwere Explosionen. Sie waren mehrere Kilometer...

Die Kanzlerin wird zum Todesengel

Angesichts der Erfolge der AfD rückt die CDU-Basis nach rechts und verliert das Vertrauen in Angela Merkel

Berlin Ein bisschen Bildung muss schon sein. «Sie sind unsere Nemesis!», rief der CDU-Mann aus Thüringen der deutschen Kanzlerin entgegen. Fast, dass er schrie. Nemesis. Was er...

Teu­er und un­ge­nü­gend

Die Pi­sa-Stu­die of­fen­bart ei­ne ho­he Zahl funk­tio­na­ler An­alpha­be­ten un­ter den Schul­ab­gän­gern – in­ak­zep­ta­bel für eins der teu­ers­ten Schul­sys­te­me der Welt, sa­gen Ex­per­ten

Zü­rich Ein reich ver­zier­tes Gäs­te­zim­mer in ei­nem Schloss. Tü­ren rechts und links, in der Mit­te das Wohn­zim­mer. Drei Män­ner im Smo­king be­tre­ten die Büh­ne und un­ter­hal­ten sich dar­über, wie schwie­rig es sei, ein Thea­ter­stück zu be­gin­nen. «Teuf­lisch schwer», sagt der Mann, der Tu­rai heisst. «Es ver­geht ei­ne Ewig­keit, manch­mal ei­ne gan­ze Vier­tel­stun­de, bis die Zu­schau­er her­aus­fin­den, wer wer ist und wer was im Schil­de führt.»

Der Text lei­tet ei­ne Auf­ga­be des in­ter­na­tio­na­len Pi­sa-Schü­ler­tests ein. Ge­tes­tet wird die Le­se­fä­hig­keit der 15-jäh­ri­gen Prüf­lin­ge. Auf­ga­be: War­um ist laut Tu­rai ei­ne Vier­tel­stun­de «ei­ne Ewig­keit»? Die Schü­ler müs­sen die rich­ti­ge Mul­ti­ple-Choice-Ant­wort an­kreu­zen. Zur Aus­wahl ste­hen: A. Es dau­ert zu lan­ge, bis das Pu­bli­kum in ei­nem voll be­setz­ten Thea­ter­saal ru­hig ist. – B. Es scheint ewig zu dau­ern, bis am An­fang des Thea­ter­stücks die Si­tua­ti­on ge­klärt ist. – C. Es scheint für ei­nen Dra­ma­ti­ker im­mer sehr lan­ge zu dau­ern, den An­fang ei­nes Thea­ter­stücks zu schrei­ben. – D. Es scheint, dass die Zeit viel lang­sa­mer ver­geht, wenn in ei­nem Thea­ter­stück et­was wirk­lich Be­deu­ten­des ge­schieht.

Der Schwie­rig­keits­grad die­ser Auf­ga­be ent­spricht der Kom­pe­tenz­stu­fe 2 – die ma­gi­sche Gren­ze auf der sech­stu­fi­gen Pi­sa-Ska­la: Wer dar­un­ter liegt, ge­hört zu den funk­tio­na­len An­alpha­be­ten. Die­se Schü­ler kön­nen zwar le­sen, aber sie ver­ste­hen nicht, was sie ge­le­sen ha­ben.

Ob 14 oder 20 Pro­zent: Zu viel ist es auf je­den Fall

Rund 6000 Schü­ler aus der Schweiz ha­ben für den ak­tu­el­len Pi­sa-Test 2015 der OECD ih­re Fra­ge­bö­gen aus­ge­füllt. Das neue Län­der­ran­king, das am letz­ten Diens­tag vor­ge­stellt wur­de, sorg­te bei Schwei­zer Bil­dungs­ex­per­ten für Ka­ter­stim­mung: Die 15-jäh­ri­gen Schwei­zer Schul­ab­gän­ger er­reich­ten beim Le­sen nur knapp den OECD-Durch­schnitt. Be­son­ders er­nüch­ternd: 20 Pro­zent der hie­si­gen Schü­ler sind nach neun Schul­jah­ren funk­tio­na­le An­alpha­be­ten – al­so je­der fünf­te. 24 Pro­zent der Bu­ben ge­hö­ren laut Pi­sa-Er­geb­nis zu die­ser Grup­pe, bei den Mäd­chen sind es 15 Pro­zent.

Seit die neue OECD-Schul­leis­tungs­stu­die er­schie­nen ist, wird in der Schweiz hef­tig de­bat­tiert, wie re­prä­sen­ta­tiv die ge­tes­te­te Schü­ler-Stich­pro­be ist. Der An­teil der fremd­spra­chi­gen Ju­gend­li­chen, sa­gen die Kri­ti­ker, sei mit 31 Pro­zent zu hoch. Das ha­be die Er­geb­nis­se ver­zerrt. Der vor­he­ri­ge Pi­sa-Test 2012 ha­be den An­teil der Le­se­ba­nau­sen tie­fer aus­ge­wie­sen. Da­mals er­ziel­ten 14 Pro­zent der Schwei­zer Prüf­lin­ge ein Er­geb­nis un­ter der Kom­pe­tenz­stu­fe 2 – al­so je­der sieb­te. Un­strit­tig und wich­ti­ger als das Stich­pro­ben-Ge­zänk ist für die Schweiz: Ein An­alpha­be­ten-An­teil von 14 bis 20 Pro­zent ist schlicht nicht ak­zep­ta­bel. «Bei ei­ner durch­schnitt­li­chen Klas­sen­grös­se von 19 Schü­lern kön­nen in der Schweiz bei Schul­ab­schluss zwei bis drei Schü­ler pro Klas­se un­zu­rei­chend schrei­ben und le­sen», hat Ste­fan Wol­ter, Di­rek­tor der Schwei­ze­ri­schen Ko­or­di­na­ti­ons­stel­le für Bil­dungs­for­schung, das Er­geb­nis auf die ein­zel­nen Schul­klas­sen um­ge­rech­net.

Und das, ob­wohl sich die Schweiz das zweit­teu­ers­te Schul­sys­tem in­ner­halb der OECD leis­tet. Laut in­ter­na­tio­na­ler Sta­tis­tik gibt die Schweiz für ei­nen Pri­mar­schü­ler pro Jahr um­ge­rech­net 15 930 Dol­lar aus, für ei­nen Se­kun­dar­schü­ler 19 698 Dol­lar – nur Lu­xem­burg in­ves­tiert noch mehr.

An­alpha­be­ten hän­gen auch in an­de­ren Fä­chern kom­plett ab

12 000 bis 17 000 Ju­gend­li­che pro Jahr ver­las­sen die­ses fi­nan­zi­ell gut aus­staf­fier­te Schwei­zer Schul­sys­tem nach neun Schul­jah­ren als funk­tio­na­le An­alpha­be­ten. Sie kön­nen selbst aus kur­zen Tex­ten kei­ne In­for­ma­tio­nen her­aus­fil­tern, sind nicht in der La­ge, In­for­ma­tio­nen zu ver­knüp­fen und ein­fa­che Schluss­fol­ge­run­gen zu zie­hen.

Von ei­nem «Sys­tem­ver­sa­gen» spricht Bil­dungs­for­scher Wol­ter. We­gen ih­rer mas­si­ven De­fi­zi­te im Le­sen und Schrei­ben wür­den die­se Schü­ler auch in an­de­ren Fä­chern «kom­plett ab­hän­gen» und jah­re­lang ein­fach mit­ge­schleppt, oh­ne Lern­fort­schrit­te zu er­zie­len.

Kri­tik kommt auch aus Wirt­schafts­krei­sen. Das schlech­te Le­se-Re­sul­tat der Schwei­zer Schü­ler im Pi­sa-Test sei «ab­so­lut un­ver­ein­bar mit dem An­spruch der Schweiz, ei­nes der bes­ten Bil­dungs­sys­te­me der Welt zu ha­ben», sagt Ru­dolf Minsch, Ge­schäfts­lei­tungs­mit­glied beim Wirt­schafts­dach­ver­band Eco­no­mie­su­is­se. Für Schul­ab­gän­ger, die kaum le­sen und schrei­ben könn­ten, ge­be es in der Schweiz zu we­nig Jobs. Es sei da­her zwin­gend, sagt Misch, «dass die Schul­ab­gän­ger über ge­nü­gend sprach­li­che Kom­pe­ten­zen ver­fü­gen, um ein selbst­be­stimm­tes Le­ben füh­ren zu kön­nen».

Ge­nau das ist für funk­tio­na­le An­alpha­be­ten schwie­rig. Miet­ver­trä­ge, Ver­si­che­rungs­po­li­cen, Fahr­pla­nin­for­ma­tio­nen, Be­hör­den­schrei­ben – das sind un­über­wind­li­che Hür­den im All­tag, wenn man kaum le­sen kann. Manch­mal trei­ben die Sprach­de­fi­zi­te ei­nen Be­trof­fe­nen fast in den Ru­in – wie beim be­kann­tes­ten Steu­er­op­fer der Schweiz, Hilfs­ar­bei­ter Ernst Su­ter aus Dürn­ten ZH. We­gen sei­ner Le­se­schwä­che reich­te er kei­ne Steu­er­er­klä­run­gen ein und wur­de von den Steu­er­be­hör­den ein­ge­schätzt. Die Steu­er­rech­nun­gen stie­gen kon­ti­nu­ier­lich an. Am Schluss schätz­ten die Be­hör­den das Ein­kom­men des Hilfs­ar­bei­ters auf ein Ma­na­ger­ni­veau von 480 000 Fran­ken. Er zahl­te wi­der­spruchs­los – und et­wa ei­ne Vier­tel­mil­li­on Fran­ken zu viel. Die über­ris­se­nen Steu­er­rech­nun­gen fras­sen nicht nur sein Jah­res­ein­kom­men auf, son­dern auch sei­ne Er­spar­nis­se. Schliess­lich lenk­ten die Steu­er­kom­mis­sä­re ein und zahl­ten 250 000 Fran­ken zu­rück.

Funk­tio­na­le An­alpha­be­ten ver­lie­ren häu­fi­ger die Stel­le

Rund 800 000 funk­tio­na­le An­alpha­be­ten, auch Il­let­t­ris­ten ge­nannt, gibt es bei den 16- bis 65-Jäh­ri­gen in der Schweiz. Fast die Hälf­te ist hier ge­bo­ren und hat die ob­li­ga­to­ri­sche Schul­zeit ab­sol­viert. Für sie sind nicht nur Steu­er­for­mu­la­re ein Alb­traum. Auch Straf­be­feh­le ha­ben ih­re Tü­cken. We­gen ih­rer Le­se­schwie­rig­kei­ten ver­ste­hen die Be­trof­fe­nen oft nicht, dass sie sich mit ei­ner Ein­spra­che weh­ren könn­ten – und ver­pas­sen die Ein­ga­be­frist. «Die for­ma­lis­ti­sche Spra­che der Straf­be­fehls­for­mu­la­re», stell­te der eme­ri­tier­te Straf­rechts­pro­fes­sor Mar­tin Kil­li­as fest, «pro­vo­ziert ge­ra­de­zu Miss­ver­ständ­nis­se.»

Funk­tio­na­le An­alpha­be­ten ha­ben es auch auf dem Ar­beits­markt schwer. Sie sind in der Be­rufs­wahl ein­ge­schränkt und ver­lie­ren häu­fi­ger die Stel­le. Auf die Schul­ab­gän­ger, die kaum le­sen und schrei­ben kön­nen, war­tet al­so ein düs­te­re Zu­kunft.

Nach dem schlech­ten Pi­sa-Re­sul­tat for­der­ten Leh­rer­ver­bän­de flugs mehr Geld. Aber wie soll es ei­ne Ge­währ ge­ben, dass das et­was nüt­zen wür­de, wenn die zweit­höchs­ten Aus­ga­ben in der OECD pro Schü­ler nicht rei­chen? «Dass so vie­le Schü­ler am En­de der Schul­zeit kaum le­sen und schrei­ben kön­nen, ist ei­ne Schan­de für un­se­re Schu­len», sagt Alain Pichard, Se­kun­dar­leh­rer im Kan­ton Bern. Der «rie­si­ge Be­treu­ungs­ap­pa­rat», der in den letz­ten Jah­ren auf­ge­baut wor­den sei, brin­ge of­fen­sicht­lich nichts. «Wir brau­chen nicht mehr Geld», sagt Pichard. «Aber man muss es an­ders ein­set­zen – für ei­ne ech­te Be­kämp­fung des Il­let­t­ris­mus.»

+ Wie Pi­sa das Le­sen tes­tet

Nad­ja Pas­te­ga

Werbung